Höchstleistungen für ein Kaffeehaus auf 3.440 Metern

Gut versorgt in Österreichs höchstem Café

Ein logistisches Kunststück der Wasserver- und Abwasserentsorgung am Pitztaler Gletscher

Ein Cappuccino auf 3.440 m mit Blick auf 1.300 imposante Berggipfel, dazu ein Glas kristallklares Tiroler Leitungswasser und das Ganze natürlich serviert in sauberem Geschirr. Was im Café 3440 am Pitztaler Gletscher selbstverständlich scheint, ist es längst nicht. Hinter den Kulissen des höchstgelegenen Kaffeehauses Österreichs versteckt sich ein logistisches Kunststück der Wasserver- und Abwasserentsorgung.

Vollkommen unbemerkt von den Café-Besuchern ist das (Ab-)Wasser der Pitztaler Gletscherbahnen auf außergewöhnlichen Wegen unterwegs. Denn das Kaffeehaus in der Bergstation der Wildspitzbahn ist nicht unmittelbar an das Kanalnetz angeschlossen. Trotzdem legt das Abwasser bis zur nächsten Kläranlage mehr als 2.600 Höhenmeter zurück. Wie das funktioniert? Wir haben es uns angesehen!

(c) Alexander Haiden

Lufttransport und (beinahe) freier Fall: Der Wasserweg zur Kläranlage

Die Lage des Cafés mit Blick auf Nordtirols höchsten Berg, die 3.774 m hohe Wildspitze, ist spektakulär wie herausfordernd. Durch den Permafrostboden und die Gesteinsschichten, die am Berg ständig in Bewegung sind, ist die Installation von fixen (Ab-)Wasserleitungen nahezu unmöglich. Deshalb führen die Leitungen auch nicht direkt zum höchsten Café in den Ostalpen. Das Abwasser wird im Kaffeehaus in großen Tanks gesammelt und schließlich, befestigt an den Gondeln der Wildspitzbahn, hinunter zur Bergstation des Gletscherexpress transportiert. Dort, auf 2.840 m, kann es in Abwasserrohre eingeleitet werden, die unmittelbar unter den Gleisanlagen des Gletscherexpress ins Tal führen. Angekommen im öffentlichen Kanalnetz legt das Abwasser der Pitztaler Gletscherbahnen teilweise extrem steile Abschnitte zurück, bis es die  Abwasserreinigungsanlage (ARA) Wenns, erreicht. Damit bewältigt das Abwasser insgesamt 2.600 Höhenmeter und 30 km in einer durchschnittlichen Wintersaison in vier bis fünf Stunden.

Und wie sieht es mit dem Frischwasser aus? Das Koch- und Trinkwasser im Café wird zwar direkt aus dem Berg gespeist. Durch den Dauerfrostboden muss allerdings auch dieses über den Luftweg – also in Tanks an den Gondeln der Wildspitzbahn – transportiert werden.

Eine Kläranlage der Extreme

Mittlerweile landet das komplette Abwasser der Pitztaler Gletscherbahnen in der ARA Wenns – doch das war nicht immer so. Zwischen 1983 und 2010 betrieben die Gletscherbahnen eine eigene Kläranlage, bis sie sich 2010 für den Anschluss an das öffentliche Kanalnetz und die Einleitung der Abwässer in die Kläranlage des Abwasserverbandes Pitztal in Wenns entschieden. Das höchste Café der Ostalpen wurde im November 2012 eröffnet.

Neben der besonderen Wasserver- und Abwasserentsorgung des Cafés auf 3.440 m ist im Zusammenhang mit der ARA Wenns ein weiterer Umstand bemerkenswert: Sie ist eine typische Saisonanlage: Im Einzugsgebiet der Kläranlage gibt es keine Industrie, die weitaus bedeutendste Rolle spielt der Tourismus – und der hält für die ARA Wenns, die übrigens Mitglieder der IG KlärWert ist, spezielle Herausforderung bereit. Während das Kanalnetz und die Kläranlagen in Innsbruck immer dieselbe Auslastung aufweist, verzeichnet die ARA Wenns enorme Belastungs-Schwankungen zwischen Haupt- und Nebensaisonen. In den touristischen Spitzenzeiten (Weihnachten, Silvester, Fasching) steigt die Auslastung um das Dreifache an. Im Winter ist das Wasser außerdem teilweise extrem kalt, was wiederum eine Herausforderung für die kleinsten Mitarbeiter der Abwasseraufbereitung ist: Die Bakterien arbeiten bei hohen Temperaturen nämlich dreimal schneller als bei niedrigen.

Fazit: Die ARA Wenns stellt damit typische Pitztaler Eigenschaften unter Beweis: Sie ist leistungsstark, sportlich und an ein Leben in Extremen gewohnt.

(c) Christoph Schöch

Viel Erfahrung und stetig wachsame Augen in der ARA Wenns

Das Geheimrezept für einen reibungslosen Ablauf in der Kläranlage Wenns ist der große Erfahrungsschatz, auf den das vierköpfige Team zurückgreifen kann. Hinzu kommen vorausschauendes Arbeiten – vor allem mit ständigem Blick auf den Tourismus – sowie die kontinuierliche Kontrolle des Kanalnetzes. So wird jede Gemeinde mittels Abwasserzählungen genau überprüft und das Team kann feststellen, ob die Abwassermengen einer Gemeinde nachvollziehbar sind oder nicht. Starke Regenfälle oder die im Pitztal bis in den Juni anhaltende Schneeschmelze sind in der Abwasserzählung ebenso messbar.

Fließt von einer Gemeinde weniger Abwasser in Richtung Kläranlage kann das auf ein Problem im Kanal hindeuten. In solchen Fällen wird in einem ersten Schritt zum Telefonhörer gegriffen und eine mögliche Ursache mit der jeweiligen Gemeinde gesucht. Gibt es weiterhin keine Erklärung, wird der betroffene Bereich – der sich lokal sehr genau eingrenzen lässt – vor Ort überprüft. Liegt tatsächlich eine Verstopfung des Kanals vor, kommt etwa ein Spülwagen mit Hochdruckreiniger zum Einsatz.

Zudem werden jedes Jahr Sichtkontrollen durchgeführt. Im Zuge derer wird das Kanalnetz mit dem Auto abgefahren. Verstopfungen können so von außen erkannt werden. Um eine Innensicht auf die Kanalrohre zu bekommen, muss jeder Kanal in Österreich alle zehn Jahre auf seine Dichtheit überprüft werden. Dies geschieht via Kamerafahrt, die finanziell enorm kostspielig ist. Allerdings werden damit Probleme wie zum Beispiel Wurzeleinwüchse sichtbar.

Mit diesem umfassenden Einblick in die aufwändige Wasserver- und Abwasserentsorgung im Pitztal gilt es also den nächsten Cappuccino auf 3.440 m besonders zu genießen.

Der Zahn der Zeit macht auch vor dem Tiroler Kanal nicht Halt

Wie oft ein Kanal saniert werden muss, hängt von äußeren Bedingungen wie dem Gelände oder dem Grundwasser ab. Letztendlich entscheiden Kamerafahrten und Dichtheitsproben, zu denen die Kanalbetreiber verpflichtet sind, über das Einschreiten der Spezialisten.

Fällt der Entschluss für eine Sanierung kann diese entweder durch Rohrtausch oder grabenlos erfolgen. Auf die Variante ohne Aufgraben des Bodens wird vor allem in Städten zurückgegriffen, da dort prinzipiell wenig Platz für Bauarbeiten ist und im Erdreich massenweise Leitungen und Kabel liegen. Bei dieser Art der Sanierung wird ein neues Rohr im alten Rohr angebracht. Das gelingt, indem das neue Rohr in Form eines Schlauches in das bestehende Rohr eingezogen wird. Anschließend wird dieser Schlauch auf die Größe des bestehenden Rohres aufgeblasen und mit speziellen Materialien ausgehärtet. Es entsteht ein neues Rohr im alten Rohr.

In Zukunft wird es viele solcher Sanierungen geben. Denn das Tiroler Kanalnetz ist größtenteils mehr als 50 Jahre alt und damit sind viele Rohre bereit für ihren „Ruhestand“. Eine unerlässliche Investition in die Zukunft, denn ohne Kanal geht es nicht!